Es war eine Sternstunde in der Reihe der Digitalcafé-Vorträge des Jahres 2025: Immer wieder brandete im Veranstaltungsraum des Eichenzeller Smart City Forums am 6. November Gelächter und Applaus auf, einige der Gäste hielt es nicht auf den Stühlen. Fast 60 Besucherinnen und Besucher erfuhren im Rahmen der Veranstaltung von Smart City Eichenzell, antonius sowie Leben und Arbeiten in Eichenzell e.V., was Künstliche Intelligenz heute schon alles kann, – und staunten.

Michael Werthmüller (stehend) erläuterte, wo uns Künstliche Intelligenzen im Alltag begleiten.
Ein rosa Pudel überzeugt das Publikum
„Herr Werthmüller, ich bin fassungslos“, sagte ein Besucher kopfschüttelnd. Basierend auf nur wenigen Daten – seinem Namen, seinem Wohnort, einem Hobby und anderen Kleinigkeiten – hatte die KI-App „ChatGPT“* innerhalb von wenigen Minuten ein komplettes Lied mit mehreren Strophen auf den Mann gedichtet – und als Hardrock-Song vertont. „Seien Sie ehrlich mit mir“, fuhr der Herr fort. „Hat das wirklich die KI gerade gemacht oder hatten Sie das vorbereitet?“ Michael Werthmüller, Referent von der VHS Landkreis Fulda, musste die KI erst noch eine Beschwerde an eine Autowerkstatt schreiben und sie auf Zuruf aus dem Publikum ein Bild eines rosa Pudels basteln lassen, bevor die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihm glaubten. Nur das gewünschte Eichenzeller Türmchen im Halloween-Look bekam die KI nicht hin – der gewählte Turm sah dem Original so gar nicht ähnlich. Und auch der festlich gedeckte Gewölbekeller des Eichenzeller Herrenhauses hatte dann doch zu viele Gewölbebögen.
„Daran sieht man bereits die Grenzen von Künstlicher Intelligenz“, so der Referent. „Sie sind immer nur so gut wie die Daten, auf die sie zurückgreifen kann.“


KI ahmt menschliche Intelligenz nach
Zunächst aber ging es darum, Künstliche Intelligenz zu definieren. „KI bezeichnet Systeme, die Aufgaben ausführen, für die normalerweise menschliche Intelligenz nötig ist – etwa Sprache zu verstehen, Bilder zu erkennen oder Texte zu schreiben“, erläuterte Werthmüller. Das dahinterstehende Verständnis von Intelligenz sei die Fähigkeit, zu denken, zu lernen und sich an neue Situationen anzupassen.
Künstliche Intelligenz begegne uns – manchmal unerkannt und genauso in kostenlosen wie in Bezahlvarianten – längst überall im Alltag, beispielsweise bei Sprachassistenten wie „Siri“ und „Alexa“, beim Navigationsgerät im Auto, bei Übersetzungen mit „DeepL“ oder „Google Translate“, bei Musik- und Filmempfehlungen auf Verkaufsplattformen, bei Textvorschlägen in Suchmaschinen, bei der Anruf-Vorsortierung („Wenn Sie wegen XY anrufen, drücken Sie die 1“) oder der Smartphone-Kamera. „Vielen ist jedoch nicht bewusst, dass die Künstliche Intelligenz bereits einen langen Weg hinter sich hat“, so der Referent. Bereits in den 1960ern sei der erste Chatbot im Einsatz gewesen, die Wurzeln lägen jedoch in den 1930ern, als die Turing-Maschine* entwickelt wurde. 1997 habe eine Künstliche Intelligenz erstmals eine menschliche Schach-Legende besiegt, Anfang des 21. Jahrhundert sei KI schließlich im Alltag angekommen und heute sehe man sie als transformative Energie und Schlüsselkraft für viele Probleme unserer Zeit.
Mit KI kann man kreativ arbeiten, aber KI erschafft nichts
Jedes Jahr werden Künstliche Intelligenzen besser. „Sehen Sie sich mal dieses Bild von einem Rotweinglas an, mit dem ich ChatGPT beauftragt habe“, so Werthmüller. „Noch vor einem Jahr schaffte es die KI trotz genauer Vorgaben nicht, dass das Glas so aussah, als würde es überlaufen. Mittlerweile greift die KI auf so viele Bilder und Daten zurück, dass es geht.“ Videogeneratoren wie „Sora“ produzierten im Auftrag von Menschen darüber hinaus mittlerweile Videos, die so gut wie nicht mehr von echten zu unterscheiden seien.
Auch Briefe, Tabellenprüfungen, Übersetzungen, Seminarkonzepte, Liedtexte, Grafiken oder Gedichte könne die KI in Sekundenbruchteilen bis zu wenigen Minuten in hoher Qualität liefern, wenn man ihnen per Sprach- oder Texteingabe (sogenannten „Prompts“*) die Inhalte detailliert vorgebe. Die Arbeitsergebnisse ließen sich teilen, verschicken oder sogar als Word-Dokument herunterladen. Als Lernhilfe, schnelle Informationssuche und für Routineaufgaben oder eine verbesserte Barrierefreiheit – wie das Vorlesen von Texten – erleichterten Künstliche Intelligenzen die Arbeit von Menschen. Allerdings um den Preis von Originalität und der persönlichen Note: „KI kann immer nur mit dem arbeiten, was schon da ist. Sie erkennt Muster und kombiniert Bekanntes, aber sie entwickelt keine wirklich neuen Dinge.“

Immer mehr Menschen nutzten KI mittlerweile auch als Suchmaschine. Diese Entwicklung hält Werthmüller jedoch für bedenklich. „Zum einen greift KI auf unzuverlässige Quellen zurück und reproduziert so etwa Fake News“, so der Referent. „Zum anderen umgeht sie unter Umständen den Datenschutz und Urheberrechte. Vor allem aber machen sich die wenigsten Menschen klar, dass die Nutzung von KI einen immens hohen Energieverbrauch nach sich zieht.“ Laut der Internationalen Energieagentur IEA könnten Rechenzentren weltweit bis 2026 so viel verbrauchen wie ganz Japan. 43 Prozent des Stromverbrauchs entfielen dabei auf die Kühlung der Rechenzentren, für die weltweit jährlich auch über 560 Milliarden Liter Wasser aufgewendet werden müsse. „Das sind Zahlen, die weh tun“, bedauerte Werthmüller.
Darüber hinaus könne KI Arbeitsplätze – nicht nur, aber vor allem in der Kreativbranche – gefährden. Selbst bei den vermeintlich kostenlosen Apps bezahle man darüber hinaus mit seinen Daten und Inhalten. Und: „KI kann mittlerweile Stimmen imitieren“, warnte Werthmüller. Dies werde mittlerweile mit fatalen Folgen beispielsweise beim Enkeltrick und bei Schockanrufen eingesetzt.
Verantwortungsvoll mit KI umgehen
Wie also Künstlichen Intelligenzen begegnen? „Sie dürfen Spaß damit haben, aber gehen Sie bitte verantwortungsvoll damit um“, bat Werthmüller. Das bedeute: Man solle sich von der KI immer die Quellen angeben lassen und die Ergebnisse kritisch prüfen. Persönliche Daten solle man sparsam oder besser gar nicht mit der KI teilen. Und: „Sehen Sie die KI als Werkzeug – nicht als universelle Wahrheit.“ KI werde unseren Alltag zukünftig zunehmend begleiten – etwa in Bildung, Medizin, Umwelt und Verwaltung. Aber: „Es ist immer der Mensch, der für ethische Entscheidungen verantwortlich ist. Geben Sie also keine Verantwortung an Künstliche Intelligenzen ab.“

Pudel, Hardrock-Lied, Geisterbesuch: Das Publikum amüsierte sich sichtlich.
*Glossar
Chat-GPT [gesprochen „Tschät-Dschi-pi-ti“]: ein KI-gestütztes Kommunikationssystem, das menschliche Sprache versteht und auf einen textbasierten Austausch mit Menschen antworten kann. Im Appstore von iOs und Android erhältlich, Premiumversionen sind kostenpflichtig.
Turing-Maschine [gesprochen „Tjuring“]: ein mathematisches Modell der Informatik, das von dem britischen Mathematiker Alan Turing entwickelt wurde. Das Modell beschreibt, wie ein Rechner eine formalisierte Aufgabe löst, um zu einem Ergebnis zu gelangen, und welche Anforderungen der Algorithmus erfüllen muss, damit eine Maschine die Aufgabe versteht und korrekt ausführt.
Prompt: eine Eingabe oder Anweisung eines Menschen an eine KI, um eine bestimmte Antwort zu erhalten. Je genauer ein Prompt formuliert ist, desto bessere Ergebnisse liefert die KI.
Der letzte Digitalcafé-Termin für 2025 ist der 11.12.2025 von 18:00-20:00 Uhr.
Thema: „Gebrauchtes nachhaltig kaufen und verkaufen: digitale Kleinanzeigenportale“
Inhalte: Wie kann man Gebrauchtes online kaufen und verkaufen? Welche Portale gibt es und worauf sollte man bei der Nutzung achten?
Referentin ist Joleen Bleuel, Klimaschutzmanagerin der Gemeinde Eichenzell.