Mit detektivischem Spürsinn zur „digitalen Erleuchtung“ – ein Eichenzeller Digitallotse berichtet aus seinem Beratungsalltag

Seit Mai 2022 ist Eichenzell Di@-Lotsenstützpunkt des Hessischen Ministerium für Digitale Strategie und Entwicklung. Das Projekt „Di@-Lotsen – Digital im Alter“ hat sich zum Ziel gesetzt, ältere Mitbürger:innen niedrigschwellig in die digitale Welt zu begleiten – auch direkt an ihrem Wohnort. Dabei kommen geschulte Ehrenamtliche zum Einsatz, die telefonisch oder beim Hausbesuch Fragen zu Smartphone und Computer beantworten und bei Problemen helfen. Hier stellt sich einer unserer Ehrenamtlichen vor und erzählt von seinen Erlebnissen als Digitallotse in Eichenzell.

Das Interview führte Smart City-Mitarbeiterin Anne Jana.

Harald Mott

Alter: 69
Familienstand: verheiratet
Wohnort: Lütter
Beruf: Rentner, vormals Hörfunkjournalist

Harald, was bedeutet Digitalisierung für Dich und wo begleiten Dich Smartphone und Computer in Deinem Alltag?

Harald Mott: Ich bin Anfang der Neunzigerjahre aus dem badischen Taubertal als Hörfunkjournalist zum Hessischen Rundfunk nach Osthessen gekommen. Mir hat die Arbeit mit dem Computer immer Spaß gemacht, sie hat mich beruflich über 20 Jahre lang begleitet. Seit Ende der Neunziger sind ja in den Hörfunkstudios keine Bandmaschinen oder Plattenspieler mehr zu finden: Das gesamte Programm wird über Rechner abgewickelt, Textverarbeitung und Kommunikation inklusive.

Privat sind PC oder Smartphone für mich Hilfsmittel, mit denen sich vieles in der Welt erschließen und organisieren lässt, beispielsweise der Aufbau von Wissen oder Urlaubsreisen. Meine ganz große Leidenschaft ist die klassische Musik. Dabei ist das Internet sehr nützlich, wenn man etwa neue Aufnahmen bestimmter Werke sucht. Und wenn ich mit meiner Frau in ein Konzert oder in die Oper gehen möchte, kann ich die Tickets bequem online kaufen. Durch die Digitalisierung ist die Welt in gewisser Weise sehr klein und verfügbarer geworden.

Aber diese Geräte haben auch ihre Schattenseiten. Wenn ich heute mit der Bahn fahre, ist ein Großteil der Mitreisenden in ihre Handys vertieft. Als gäbe es die Welt um sie herum gar nicht mehr, die Menschen, die vorbeifliegenden Landschaften. Schade! Da scheint mir etwas verloren zu gehen.

Ja, das denke ich auch manchmal, auch wenn Menschen insgesamt bestimmt nicht weniger kommunizieren – nur eben mehr digital statt analog und mit Freunden statt mit Fremden. Digitalisierung kann aber auch verbinden und gemeinsame Zeit schenken: Wenn ich einen Digitallotsen anfordere, hilft mir ein freundlicher fremder Mensch in meinem Zuhause mit meinem Smartphone oder PC und geht nach einer Stunde als guter Bekannter. Was hat Dich motiviert, Lotse zu werden?

HM: Schon in meinem Beruf als Sprecher hatte ich viel mit Menschen zu tun. Als Journalist hat man ja auch so ein Lehrer-Gen (lacht): Man gibt gern sein erworbenes Wissen weiter. Und so geht es mir auch beim Thema Digitalisierung. Nach einem Aufruf in den „Eichenzeller Nachrichten“ habe ich das Smart City-Büro angeschrieben und wurde gleich zur Schulung angemeldet, die vom Land Hessen online angeboten wird. Sie ist vor allem pädagogisch angelegt, das heißt, mit vielen Tipps, wie man mit unserer Klientel umgeht. Sehr nützlich!

Wo und wie oft bist Du seitdem im Einsatz?

HM: So etwa einmal pro Woche, eigentlich im gesamten Gemeindegebiet. [Anmerkung: Die Anzahl der Einsätze hängt von der Zahl der Lots:innen und deren zeitlichen Kapazitäten ab. Üblich ist etwa ein Einsatz pro Monat. Wer möchte, kann natürlich gerne häufiger beraten.] Ich werde unterstützt vom Smart City-Büro und kann mich auch an die anderen Lotsinnen und Lotsen wenden. Das war aber bisher nicht nötig.

Wie läuft eine typische Einzelberatung ab? Oder gibt es die gar nicht?

HM: Kurze Antwort: nein. So unterschiedlich die Geräte sind, mit denen man es zu tun hat, so unterschiedlich sind auch die Aufgaben und die Menschen. Ich nehme mir daher grundsätzlich etwas Zeit für die Beratung. Meist sind die Aufgaben sehr klar und schnell zu erledigen. Einige Anwender, die wenig Erfahrung im Umgang mit ihren Geräten haben, können mir aber gar nicht gezielt sagen, um welches Problem es geht. Sonst könnten sie sich ja unter Umständen auch selbst helfen (lacht). Manchmal ist die Ausgangslage also schlicht: Irgendwas funktioniert halt nicht. Da braucht man dann Geduld und detektivischen Spürsinn. Und das macht großen Spaß.

Mit welchen Fragen und Problemen hattest Du bei Deinen Einzelberatungen bisher zu tun?

HM: Ich habe mehrmals neue Android-Smartphones eingerichtet. Das ist im Prinzip einfach, im Detail aber doch immer anders. Gerade hatte ich den Fall, dass ein Smartphone keine Aus-Taste hatte, es ließ sich nur über die Software ausschalten. Das war mir so noch nicht begegnet.

Kamst Du auch mal nicht weiter? Was hast Du dann gemacht?

HM: Es ist wie beim Kochen: Man sollte Zeit mitbringen. Ich überlege einfach immer wieder: Wo liegt der Casus knacksus, wo hängt es gerade? Wenn man Glück hat (das habe ich meistens), kommt einem die digitale Erleuchtung.

Und dann muss ich ja auch nicht alles selbst lösen. Einmal kam ich bei der Einrichtung eines Virenprogramms nicht weiter. Es fehlte die Anmeldung beim Programmanbieter, damit es laufen konnte. Ich hatte schon lange mit heißem Kopf daran herumgemacht, als meine Klientin plötzlich selbst das entsprechende Formular in der App entdeckt hat. Große Entspannung, Lachen und Erleichterung! Solche Momente und der Austausch mit den Menschen gefallen mir am meisten an meinem Engagement als Digitallotse.

Welchen persönlichen Nutzen ziehst Du aus Deiner Arbeit als Digitallotse?

HM: Natürlich freue ich mich, wenn ich mein Wissen mit anderen Menschen teilen kann. Für mich als Rentner ist es außerdem einfach gut, ab und zu die eigenen vier Wände zu verlassen und Kontakte zu haben.

Findest Du das Digitallotsenprojekt sinnvoll?

HM: Ja, absolut. Vieles in unserem Alltag ist inzwischen mit PC oder Handy einfacher oder überhaupt nur damit zu erledigen. Das fängt an bei der Terminabsprache mit einer Arztpraxis und geht bis zu Onlinebestellungen. Mit PC und Handy können wir Kontakte pflegen, ohne aus dem Haus zu müssen. Wir können uns mit den Enkeln austauschen, Bilder und Nachrichten schicken oder empfangen. Die Geräte helfen also auch gegen die Einsamkeit. Ich kenne zum Beispiel eine ältere Frau, die hat regelmäßig Videokonferenzen mit ihrem Sohn in Amerika.

Was schätzt Du am Smart City-Projekt?

HM: Dass eine kleine Gemeinde wie Eichenzell sich den Herausforderungen der digitalen Welt stellt, ist vorbildlich.

Was möchtest Du zukünftigen Digitallots:innen mitgeben?

HM: Springt ins kalte Wasser. Die Erfahrungen machen Euch reicher.

Weitere ehrenamtliche Digitallots:innen gesucht!

Für die neuen kostenlosen Online-Schulungstermine im Februar und März 2023 (zwei Sitzungen am 7./8. Februar von 15-18 Uhr oder am 5./6. März von 18-21 Uhr) suchen wir Menschen,

Sie möchten „Di@-Lotsin“ oder „Di@-Lotse“ in Eichenzell werden? Dann melden Sie sich gerne im Smart City-Büro bei Anne Jana unter 06659/979-35 oder anne.jana@eichenzell.de. Sie sollten mindestens 18 Jahre alt und mobil sein. Die Fahrtkosten für Hausbesuche werden erstattet.